Anuk Jovović und Fabrice Umiglia sind in der Kunst wie im Management tätig. Im Dialog sprechen sie über ihre Karrieren und wie Umbrüche und Entscheidungen sie dahin gebracht haben, wo sie heute sind.
Anuk Jovović: U wie Umbruch, Unabhängigkeit, Unsicherheit, Unterhaltung, Umfeld… nicht zuletzt im Spannungsfeld Kunst – Management.
Umbrüche in meinen Tätigkeitsfeldern sind stark geprägt von persönlichen Veränderungen bezüglich Wohnort, Familie oder privaten sowie beruflichen Netzwerken, wobei sich letztere grossteils überschneiden. Als selbständige Künstlerin und angehende Kulturmanagerin profitiere ich von einer Unabhängigkeit, deren Kehrseite Unsicherheit bedeutet. Das betrifft einerseits die inhaltliche und anderseits die finanzielle Ebene. Inhaltlich befinde ich mich auf einer Gratwanderung zwischen künstlerischer Hochwertigkeit und einer stark spürbaren Nachfrage nach Unterhaltung (was sich im Idealfall nicht gegenseitig ausschliesst). Als Künstlerin habe ich die Freiheit, meine eigenen Massstäbe zu setzen, als Managerin liegt mir daran, mich in einem bestehenden Umfeld zu orientieren und mich darin auszukennen.
Fabrice Umiglia: M wie Musik! What else?
Die Musik war schon immer in meinem Leben. Und seit ich 17 bin, arbeite ich als professioneller Musiker. Trotz brutalem Umbruch in meinem beruflichen Leben steht die Musik für mich immer noch im Zentrum. Einfach aus einem anderen Blickwinkel. Damals war ich Orchestermusiker mit verbundenen Verantwortungen und Leistungspflichten. Heute bin ich, sowohl als Manager wie als Dirigent, ‹auf der anderen Seite›. Für mich ist die klassische Musik eines der wertvollsten Dinge auf der Welt. Zu ihrer Existenz und Entwicklung beizutragen, scheint mir wesentlich. Heute konzentrieren sich viele – zu Recht – auf Klimafragen. Für mich verdient auch der Rückgang und das Verschwinden bestimmter Traditionen unsere ganze Aufmerksamkeit und Energie.
Anuk Jovović: B wie Beruf, Berufung, Beziehung…
Besonders wenn der Beruf und die Berufung in Deckung sind, spielen sich Beziehungen oft auf beruflicher und auf privater Ebene ab. Das bringt viele Vorteile, aber auch Schwierigkeiten mit sich: Beziehungen müssen gleichzeitig und parallel auf den zwei Ebenen gepflegt werden. Mein Team besteht teilweise aus guten und langjährigen Freund*innen, was bedeutet, dass ich nicht nur als Arbeitgeberin und Projektleiterin, sondern auch als Freundin eine Verantwortung für sie trage. Eine grosse und schöne Herausforderung sehe ich darin, dass ich einerseits meinen Mitarbeiter*innen auf beruflicher und persönlicher Ebene und anderseits den Projekten gerecht werde und meine Mitarbeiter*innen ebenfalls mir als Freundin und Arbeitgeberin Sorge tragen.
Fabrice Umiglia: Im Moment ist mein Umbruch besonders heftig. Deswegen steht für mich heute R für «Restless» (Sorry für den Anglizismus) oder Rennen!
Für mich bedeutet Umbruch momentan extrem Stress. Ich habe aktuell sechs verschiedene Arbeitgeber, die in drei verschiedenen Bereichen tätig sind und alle «ein bisschen mehr» von mir erwarten. Hinzu kommen noch einige administrative Herausforderungen mit Versicherungen … Letztendlich bleibt kaum Zeit für meine Familie… Deswegen heute keine lange Mail. Es würde mich freuen, in Zukunft «R wie Ruhe» schreiben zu können!
Anuk Jovović: dann wünsche ich Dir, dass bald mehr Ruhe in dein Leben einkehrt! Und weiter geht’s mit U wie Umorientierung, Umweg.
Meine Entscheidung, mich in Kulturmanagement weiterzubilden, könnte als Umorientierung oder auch als Umweg gesehen werden. Umorientierung insofern, dass ich mich als Künstlerin zur Kulturmanagerin entwickle, was allerdings nur bedingt der Fall ist. Umweg im Sinne von einer Vertiefung eines Bereiches, der für mich als Künstlerin relevant ist, meinen ersten Beruf mit spezifischem Fachwissen unterfüttert und gleichzeitig einen neuen Weg ermöglicht, der parallel zu meiner künstlerischen Tätigkeit verläuft.
Fabrice Umiglia: Für den Buchstaben C denke ich sofort an die Worte Challenge und Charakter.
Nach meinem beruflichen Umbruch gibt es viele Sachen, die für mich neu sind. Vor dem Umbruch wusste ich, dass ich in meinem Bereich gut war und die erwartete Leistung erbringen konnte. Jetzt bin ich wieder am Anfang und muss neue Verantwortungen übernehmen, ohne sicher zu sein, dass ich erfolgreich sein werde. Das macht alles nochmals spannender, aber verlangt Charakter und Bescheidenheit.
Anuk Jovović: H wie Herkunft, Heimat
Ich bin in der Basel geboren und aufgewachsen, habe in München studiert und gearbeitet und bin in verschiedenen Lebensphasen regelmässig nach Belgrad gereist, wo ein Teil meiner Familie herkommt. Diese drei Städte sind mir vertraut, in jeder fühle ich mich ein wenig zu Hause und auch ein wenig fremd. Das Gefühl von Heimat vermitteln mir vor allem die Menschen, die mich privat und beruflich seit vielen Jahren begleiten, und meine Tätigkeiten; egal, wo ich gerade wohne und arbeite.
Der Dialog wurde im März 2020 per Email geführt.