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zum Arbeitsfeld Kultur & Management

Ökologisch ausstellen? Annäherung an eine nachhaltige Szenografie

‚Our own happiness is short-lived if we achieve wellbeing for our generation at the environmental expense of future generations.’
Happy Museum Project, UK [1]

Als «Neo Ökologie», so hält es der Jahresreport 2023 des deutschen Zukunftsinstituts fest, gehört die Nachhaltigkeit zu den wichtigen gesellschaftlichen Megatrends der Zukunft.[2] So erstaunt es kaum, dass die Thematik auch während der letzten Monate wiederholt Eingang in unterschiedliche Diskurse des laufenden Diplomstudiengangs «Kulturreflexives Management» der Universität Basel fand. Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung von Schweizer Museen soll hier eine kurze Betrachtung des aktuellen Nachhaltigkeitsstatus‘ sowie der ersten exemplarischen Annäherungen einer ökologischen Umstellung im Ausstellungsbetrieb erfolgen.

Gemeinsam Richtung «Nachhaltige Zukunft»
2021 inmitten des Pandemiechaos’ das gerade beharrlich an den Pfeilern des kulturellen Sektors rüttelte, fand in Bern zum ersten Mal der Impulstag des dato neu gegründeten Netzwerkes «Happy Museums» statt.[3] 85 Vertreter:innen unterschiedlicher Schweizer Museen widmeten sich dort gemeinsam dem Thema Nachhaltigkeit. Sie eruierten den Status quo ihrer Institutionen, knüpften Kontakte und suchten nach Lösungen, um den ökologischen Fussabdruck von Museen in Zukunft verträglicher zu gestalten. Wirkte das Event zu diesem Zeitpunkt noch wie ein zögerlicher Vorstoss, dieser Thematik einen professionellen Raum in der deutschsprachigen Museumslandschaft zu schaffen, so sieht die Lage heute bereits ganz anders aus. Insbesondere während der letzten drei «Pandemiejahren» ist eine enorme Zunahme an diversen Projekten[4] , Tagungen[5] und Arbeitsgruppen[6] zum Thema des ‚grünen Museums‘ zu verzeichnen. Nicht zuletzt stand im Mai auch der internationale Museumstag 2023 unter dem Motto «Museums, Sustainability and Wellbeing».[7]

Doch was bedeutet es im konkreten Falle Museen ökologisch nachhaltiger zu gestalten? Wie gelingt es ihnen anhand ihrer aktuellen Mittel und Möglichkeiten Strategien zu entwickeln und umzusetzen? Welche Bereiche sind davon tangiert oder besser gefragt, welche sind es nicht?
Als freischaffende Kunstpublizistin erhasche ich immer wieder kurze Blicke hinter die Kulissen der ausstellenden Institutionen und auch als ehemalige Museumsmitarbeiterin ist mir der Umfang und die Komplexität des Unterfangens durchaus bewusst.

Neben den nicht unbedeutenden und langwierigeren strukturellen Problemen im Kultursektor gibt es jedoch bereits eine Reihe praktisch umsetzbarer Optionen, wie u. a. auch die Ergebnisse der Workshops des zweiten Impulstages von Happy Museums 2022 zeigten.
Für den Museums- und konkret auch Ausstellungsbetrieb identifizierten die Teilnehmer:innen dabei 4 ökologische Schaltstellen:

1.    Bau und Szenografie
2.    Inhalt / Programmatik
3.    Wanderausstellung und
4.    Community Building.*

*Als weitere wichtige Punkte wären zudem ergänzend der Ankauf und Pflege von Sammlungen, Finanzierung, Marketing oder Tourismus zu nennen.


Ökologisch sinnvolle Szenografie: Zwei Praxisbeispiele
Zwar bilden Bau und Szenografie nur ein Element aus vielen offensichtlichen und weniger offensichtlichen Faktoren einer umfassenden Nachhaltigkeitsbaustelle, dennoch sollten sie keinesfalls unterschätzt werden. Sowohl ästhetisch als auch didaktisch spielt die Präsentation von Objekten und Inhalten noch immer eine zentrale Rolle bei Ausstellungen. Daher wurde bereits in frühen Publikationen zur ökologischen Ausstellungspraxis, insbesondere im Umgang und der Auswahl des szenografischen Materials ein grosses ökologisches Potential gesehen. So z. B. im 2016 unter anderem von Karin Hehnke und Peter Hellmich herausgegebenen «Ratgeber für umweltfreundliche Ausstellungen». Ihren darin zusammengefassten Kriterien zufolge sollten die eingesetzten Materialien besonders ressourcenschonend hergestellt sein, den Schutz von Gesundheit und Umwelt gewähren, einen energiearmen Betrieb ermöglichen, aktualisierungs- und reparaturfähig sein, einer Weiter- und Nachnutzungsstrategie dienen und/oder eine vorschriftsgemässe Entsorgung bzw. Recycling gewährleisten.

Nicht explizit benannt, jedoch ein ebenfalls wichtiger Aspekt ist der, der sogenannten Kreislaufwirtschaft (circular economy). Diese liegt beispielsweise der Schweizer OFFCUT Genossenschaft [8] zugrunde, einer 2012 in Basel gegründeten Materialbörse für Gebraucht- und Restmaterialien jeglicher Art. Mittlerweile mit weiteren Standorten in Bern, Zürich, Luzern und St. Gallen ist ferner seit 2020 dem OFFCUT Zürich das «Atelier für nachhaltige Szenografie»[9] angegliedert. Den Grundprinzipien der Wiederverwertung entsprechend schafft dieses hauptsächlich installative Objekte für unterschiedliche Projekte. Im ersten Museumskontext konzipierte es dabei die Szenografie für die noch bis Juli 2023 laufende Ausstellung «Planetopia» im Museums für Kommunikation in Bern.[10] Ein Pionierprojekt, so ist auf der Webseite von OFFCUT zu lesen, bei dem «über 90% [der gesamten Schau] aus wiederverwendetem Material, Geräten und Objekten gebaut [wurde].» [11]

Ein anderer Ansatz ökologischer Materialverwertung wählte auch das Schweizer Nationalmuseum (SNM). Im Zuge von Sanierung und Neubau des Landesmuseums in Zürich wurde 2015 ein sogenanntes Normwandsystem (NWS) [12] entwickelt. Dabei handelt es sich um ein modulares Displaysystem, das je nach Bedarf eine Skalierung, Erweiterung oder Umwandlung der einzelnen Elemente wie Wände und Vitrinen ermöglicht. Ein wiederverwendbares Grundgerüst aus Aluminium und Holzwerkstoffplatten also, dass die Möglichkeit einer immer neuen und anderen Szenografie bietet, ohne in Boden oder Decke verschraubt werden zu müssen. Auch die platzsparende Lagerung und die auf 10 Jahre angesetzte Wiederverwendung des Verpackungsmaterials bieten ökologische Pluspunkte. Laut Stand 2022 kam es seit 2016 bereits in über 13 Wechselausstellungen in Neu-und Altbau des SNM zum Einsatz, was gerundet in etwa einem Mittel von 2 Ausstellungen pro Jahr entspricht.

Fazit und Aussicht
Eingebettet in den gesellschaftlichen Megatrend, lässt sich zusammenfassend eine verstärkte Befassung mit der Thematik der Nachhaltigkeit in Museen der deutschsprachigen Schweiz während der letzten drei Jahre erkennen. Als treibender Motor fungiert u. a. das Schweizer Netzwerk Happy Museums. Dabei dient es momentan insbesondere als Tool zur Vernetzung, dem Eruieren möglicher Problempunkte und einer Erarbeitung von gemeinsamen zukunftsorientierten Zielen.

Hinsichtlich des musealen Teilgebietes der Szenografie, lässt sich erkennen, dass die Auswahl der verwendeten Materialien sowie deren Wiederverwertung einen zentralen ökologischen Einfluss besitzen. Langfristige und neuartige Lösungsansätze scheinen dennoch noch immer sehr rar zu sein. Aktive Lösungen wie im Falle von OFFCUT finden entweder parallel jedoch ausserhalb des Museumsbetriebes statt oder beschränken sich lediglich auf die hausinterne Nutzung grösserer Institutionen wie dem Schweizerischen Nationalmuseum.

Um die für 2030 gesetzten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, sollte meines Erachtens neben der Entwicklung neuer Materialien noch ein stärkeres häuserübergreifendes Agieren gefördert werden. Vernetzungen in Form von Tausch/-Leihplattformen oder die schweizweite Nutzung modularer Displaysysteme könnten dabei möglicherweise einen guten Schritt in eine gemeinsame grünere Zukunft bieten.

 

Literatur:

Deutscher Museumsbund, Nachhaltig ausstellen, 2022 https://www.museumsbund.de/wp-content/uploads/2022/12/nachhaltig-ausstellen-handout.pdf, 25.05.2023, 11:26

Hehnke, Karen; Hellmich, Peter und Thomas Bühel (Hrsg.); Umweltfreundliche Ausstellungen – Der Ratgeber zur Konzeption und Umsetzung, Osnabrück, 2016

Kilger, Gerhard; Szenografie in Ausstellungen und Museen, Stuttgart, Bd.6, 2006-07

Kunstgewerbemuseum Staatliche Museen zu Berlin (Hrsg.), Design Lab #8; Material Loops. Wege in eine Kreislauffähige Zukunft, Berlin 2021

[1] https://happymuseumproject.org, 25.05.2023, 11:55

[2] https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrend-neo-oekologie/, 25.05.2023, 08:17

[3] https://www.happymuseums.ch/documentation, 02.06.2023, 23:22

[4] https://www.unibe.ch/aktuell/medien/media_relations/medienmitteilungen/2020/medienmitteilungen_2020/projekt_untersucht_die_rolle_der_kultur_in_der_umweltkrise/index_ger.html, 28.05.2023; 0:12

[5] https://www.deutsche-kongress.de/veranstaltung/das-gruene-museum/, 28.05.2023, 22:23

[6] https://www.museumsbund.de/klimaschutz/, 02.06.2023, 08:55;  https://www.museumsbund.de/wp-content/uploads/2022/12/nachhaltig-ausstellen-handout.pdf, 02.06.2023, 08:47

[7] https://imd.icom.museum/international-museum-day-2023/the-theme-the-power-of-museums/, 01.06.2023, 18:14

[8] https://www.offcut.ch/ch/de.html, 01.06.2023, 18:53

[9] https://www.offcut.ch/zh/de/szenografie.html, 01.06.2023, 19:03

[10] https://www.mfk.ch/besuchen/ausstellungen/planetopia-raum-fuer-weltwandel, 01.06.2023, 19:05

[11] https://www.offcut.ch/zh/de/szenografie.html, 01.06.2023, 19:03

[12] Högger, Beat; Schweiuerisches Nationalmuseum, Normwandsystem (NWS), Happy Museums in Aarau, 31.Oktober 2022; https://www.happymuseums.ch/_files/ugd/373b66_d867e93801144f3982b7ca86a008d581.pdf, 01.06.2023, 18:32