Wohin geht’s? Positionen und Beiträge
zum Arbeitsfeld Kultur & Management

Ökologisch nachhaltig handeln in der Kultur – Gemeinsam Zukunft gestalten.

Eine Veranstaltung der Abteilung Kultur des Kantons Basel-Stadt, der Christoph Merian Stiftung und dem Studienangebot Kulturmanagement der Universität Basel, in Zusammenarbeit mit Vert le Futur –Verband für eine nachhaltige Kultur- und Veranstaltungsbranche.

Zur Workshop-Tagung «Ökologisch nachhaltig handeln in der Kultur» – versammelte sich am 30. Januar 2024 erfreulich viel interessiertes Publikum in der Aula der Universität Basel. Die rund 150 Teilnehmer:innen wurden mit Impulsen, Diskussionen, filmischen Impressionen und praktischen Übungen dazu angeregt, ihre eigenen Möglichkeiten auf dem Weg zur Nachhaltigkeit auszuloten.

Auf der Programmebene befassen sich Kulturschaffende schon lange mit Umweltschutz und die meisten kennen mittlerweile auch die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz SDGs). Die Frage jedoch, was Kulturbetriebe in der Schweiz konkret zur Verbesserung der Klimabilanz beitragen können, wird eher am Rande diskutiert. Ziel der Tagung war es, Kulturschaffende und kleinere Betriebe für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und (anhand von Beispielen) Möglichkeiten aufzuzeigen, wie mit einfachen Massnahmen die eigene Klimabilanz optimiert werden kann.

Den Auftakt machte die Nachhaltigkeitsexpertin Dr. Annett Baumast. Sie lehrt unter anderem an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg und forscht seit 20 Jahren zu Fragen der Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb. In ihrem Inputvortrag klärte sie Begrifflichkeiten, stellte verschiedene good practices vor und brachte die Anwesenden untereinander ins Gespräch.

Wo können wir ansetzen? Der Einstieg in das grosse Themenfeld ist für viele nicht ganz einfach. Für eine nachhaltige Praxis gilt es erst einmal, die passenden Hebel zu finden, die eine entsprechend grosse Wirkung in der Vermeidung des CO2-Ausstosses erzielen können. CO2-Rechner von sustainable arts, Happy Museums, Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit,  Myclimate können dazu Anhaltspunkte geben. Die Berechnung von CO2-Emissionen unterscheidet sich vom ökologischen Fussabdruck. Während CO2-Emissionen sich auf die Freisetzung von Kohlendioxid beziehen, misst der ökologische Fussabdruck den Gesamteffekt menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt, indem er verschiedene Ressourcen und Umweltauswirkungen berücksichtigt. CO2-Emissionen machen wiederum einen Teil des ökologischen Fussabdrucks aus.

Die Referentin veranschaulichte die Grössenordnung von CO2-Emissionen am Beispiel der Nachhaltigkeitsmesse Expanding energy (2012) in der Gessnerallee Zürich. Diese zeigte damals auf, welche Auswirkungen Massnahmen – wie beispielsweise einen Monat lang kein Fleisch zu essen oder einen Baum für mindestens 10 Jahre zu pflanzen – auf die CO2-Emissionen bzw. Kompensation haben. Annett Baumast machte darauf aufmerksam, dass das Klima bereits jetzt beim Programm von Kulturveranstaltern berücksichtigt wird, wenn beispielsweise eine Fotoausstellung nicht mehr im Sommer gezeigt wird, weil die Klimatisierung der Ausstellungsräume zu kostspielig wäre. Am Beispiel des Theaters Salz+Pfeffer zeigte die Referentin auf, wie Kulturschaffende das Thema Nachhaltigkeit auf die Bühne bringen und Vorbild für den gesellschaftlichen Wandel sein können und auch sein wollen.


Im Anschluss stellten drei junge, im Klimaschutz engagierte Menschen ihre Sicht auf den Klimanotstand und Möglichkeiten des Handelns im Kulturbereich vor. Ladina Gisler, Laurin Hoppler und Benjamin Rytz sehen sich und alle, insbes. auch die Kultur klar in der Verantwortung was ökologische Nachhaltigkeit angeht. Das Engagement von Kulturbetrieben ist manchmal auch still und leise, wenn beispielsweise das Jugendkulturfestival auf vegetarische Kost umstellt, ohne dies an die grosse Glocke zu hängen. Die Vorteile kleiner Kulturanbieter sehen sie darin, dass diese die Freiheit haben, verschiedene Ansätze auszuprobieren. Erfolge können geteilt werden und inspirierend für andere sein, aber auch gelegentliches Scheitern soll erlaubt sein.

Ein zentraler Gedanke ist, dass das Netto-Null-Ziel nicht nur technologisch und quantitativ verstanden werden sollte, sondern auch emotional und kulturell. Sie sehen die Kultur als einen wichtigen Bereich, um den Diskurs über einen gesamtgesellschaflichen Wandel zu führen. Veränderungen fänden nicht von heute auf morgen statt, daher sei es wichtig, in seinen Bemühungen nicht nachzulassen.

Die Ambiguität zwischen dem Wunsch zu feiern und der Klimaverantwortung wurde mit dem Film «Musikfestivals zwischen Aktivismus und Greenwashing» thematisiert sowie in der anschliessenden Podiumsdiskussion weiter vertieft. Es diskutierten Till Berger (Leiter Fachstelle Klima Basel-Stadt), Donat Kaufmann (Musiker und Vertreter von Music Declares Emergency Switzerland), Sandra Künzi (Performerin und Co-Präsidentin t. Theaterschaffen), Seraina Rohrer (Leiterin Innovation & Gesellschaft bei Pro Helvetia) und Annett Baumast.

Die Nachhaltigkeitsmassnahmen der verschiedenen im Film vorgestellten Festivals sind sehr unterschiedlich in Sachen Wirksamkeit, Finanzierung und Stellenwert. So brachte die Moderatorin Ellinor Landmann eine der Kernaussagen des Films auf den Punkt: «Die Grossen könnten viel tun, machen aber wenig, und die Kleinen tun viel, bewirken aber wenig». In Anbetracht dessen wäre es angemessen, wenn Sponsoren eine grössere Verantwortung übernehmen und ihr Engagement an nachhaltige Zielvereinbarungen binden würden.

Zurück zu Basel. 2022 hat Basel-Stadt das Ziel Netto-Null Treibhausgasemissionen im Jahr 2037 beschlossen. Till Berger, Leiter der Fachstelle Klima Basel-Stadt, erläuterte, dass das Engagement aller Akteur:innen wichtig ist, um Netto-Null bis 2037 zu erreichen. Dafür müssten die richtigen Stellschrauben gefunden werden. Der Kanton erarbeitet derzeit einen Massnahmenplan, um das Ziel zu erreichen. Zentral ist, dass die eingesetzte Energie erneuerbar bereitgestellt wird und dass Stoffströme zirkulär gestaltet werden. Hier können Kulturorganisationen wie Festivals einen wichtigen Beitrag leisten und ihre Besucher sensibilisieren. Dass gewisse Festivals hier bereits ihren Beitrag leisten, ist ermutigend. Das gibt wichtige Impulse an die anderen Veranstalter. Grundsätzlich gilt: die Transition zu nachhaltigen und klimafreundlichen Veranstaltungen muss jetzt erfolgen, denn die Herausforderungen, das 1.5-Grad-Ziel zu erreichen, sind enorm und erfordern von allen ein ambitioniertes Vorgehen.

Vonseiten der Förderung wird für Kulturbetriebe u.a. die Koordination von Auftritten als geeignete Massnahme gesehen. Dabei gilt es auch zu überlegen, ob es sinnvoll ist, weiterhin auf Exklusivität zu setzen und einmalige Auftritte in weit entfernten Grossstädten zu fördern, die oft als Karrierebooster betrachtet werden, oder ob dieses Konzept nicht neu gedacht werden müsste. Sandra Künzi erwähnte, dass die Künstlerbörse in Thun, aus der Mobilitätsperspektive betrachtet, sich als nachhaltige Veranstaltung herausstellt, was bei ihrer Gründung so gar nicht beabsichtigt war. Anstatt dass Veranstalter:innen in der ganzen Schweiz herumreisen, um sich verschiedene Acts anzuschauen, zeigen die Künstlerinnen und Künstler an einem Ort während vier Tagen Ausschnitte ihres Jahresprogramms.

Wie können knappe finanzielle Mittel mit steigenden Anforderungen an Kulturbetriebe in Einklang gebracht werden? Ist die Kultur der richtige Ort für ökologisch nachhaltige Veränderungen? Aus Sicht der Förderung ist man sich durchaus bewusst, dass es abzuwägen gilt, wie viel Nachhaltigkeit in der Kultur notwendig ist und wie Zielkonflikte in der Förderung auch verhandelt werden können bzw. müssen. Bei gleichbleibenden Mitteln kann das Kriterium Nachhaltigkeit u.U. zu mehr Wettbewerb unter Kulturorganisation führen, was unter dem Strich mehr Geld für weniger Kulturschaffende bedeutet – worauf Sandra Künzi einwendete, dass es für die steigenden Auflagen bei der Kulturförderung eigentlich mehr Geld geben sollte, da neue Anforderungen auch mehr Zeit und damit auch mehr Kosten bedeuten. Inwiefern Nachhaltigkeit ein Kriterium für die Geldvergabe sein soll oder mehr zur Selbstreflexion anregen soll, wurde im Nachmittagsworkshop mit Seraina Rohrer und Katrin Grögel ausführlicher diskutiert.

Im Publikum zeigte sich das Bedürfnis nach Wissen zur Datenlage. Wie steht die Kultur im Vergleich zu anderen Branchen da? Annett Baumast erläuterte, dass bis anhin die Datenbasis fehle, da die Nachhaltigkeitsbemühungen im Bereich der Kultur noch am Anfang stehen und die Ausprägungen von Kulturveranstaltungen, wie man am Beispiel der Festivals gesehen habe, stark variieren. Für Pro Helvetia sind die Studien von Julie’s Bicycle (GB) und Decarboner la culture vom Shift-Projekt (FR) Referenzen mit Vergleichsgrössen, auf die sie sich beziehen. Einig war man sich unter den Podiumsgästen darüber, dass der Wissensaustausch zentral ist, und Plattformen wie Vert le Futur bzw. die Tatenbank dazu beitragen.

Abschliessend betonte Donat Kaufmann, dass es in der Kultur im Wesentlichen um Werte gehe. Zahlen können auch Einfluss darauf haben, wie wir Kunst und Kultur wahrnehmen. Berichterstattung mit Besucherzahlen und Messen von CO2-Emissionen könnten das Wesen von Kultur nicht erfassen, allenfalls sogar den Wert von Kultur schmälern. Hier gelte es, ein ausgeglichenes Verhältnis zu finden.

«Mitnehmen tue ich, aktiver mit anderen im Kulturbereich – und darüber hinaus – Wege zu finden, die Kultur nachhaltiger zu gestalten.»
Rückmeldung einer Teilnehmerin

Am Nachmittag standen Workshops – zusammengestellt von Vert le Futur – zur Erkundung von verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekten auf dem Programm. Die Schlussrunde am Ende des Tages gewährte einen kurzen Einblick in die Themen und Resultate der diversen Arbeitsgruppen:

Der Workshop mit Barbara Ellenberger stellte «A:Practice» vor: Eine künstlerische Praxis, die Art, Admin (womit Ressourcen wie Geld und Personal gemeint sind), Agriculture und Activisme als Dimensionen einbezieht. Die Matrix zeigt modellhaft, wie ein neues kollektives Bewusstsein aussehen könnte. Dabei sind sowohl das Verstehen von lokalen und globalen Zusammenhängen als auch unterstützende und regenerative Prozesse für eine bewohnbare Welt zentral. Um Einfluss zu nehmen braucht es hingegen auch Umlenkungsmassnahmen bis zu Boykott gegenüber Entwicklungen, die zu einer unbewohnbaren Welt führen.

Unter der Leitung von Lea Kuhn wurde die persönliche Prägung und Wahrnehmung der Umwelt durch das eigene Wertesystem zeichnend erkundet. Über das Bewusstsein unserer Wertesysteme und Routinen wird Lernen und Verlernen erst möglich. Literaturzitate von Jenny Odell, Minna Salami, Maria Puig de la Bellacasa, Tony Monchinsi und Robin Wall Kimmerer gaben Impulse zu den Grundsätzen des systemischen Denkens und zu Strategien des Verlernens. Bücher, die man auch lesend gerne erkundet.

Zoé Kilchenmann stellte Tasty Future vor, eine Initiative, die Kulturorganisationen dabei unterstützt, ein umweltfreundliches und pflanzenbasiertes Verpflegungskonzept zu entwickeln, möglichst ohne Verschwendung von Lebensmitteln. Denn zu oft wird das Mindesthaltbarkeitsdatum als Verfallsdatum interpretiert und nicht als Herstellergarantie für die Qualität des Produktes. Das führt auch in privaten Haushalten zu unnötigem Food Waste.

Lea Weber ermittelte mit den Teilnehmenden eine Standortbestimmung in puncto ökologischer Nachhaltigkeit und leitete gemeinsam mit den Workshopbesucher:innen konkrete Massnahmen ab.

Praxisbezogen ging es auch im Workshop von Laura Giudici zu. Sie stellte die Tatenbank von Vert le Futur vor, die good practice Beispiele für einen nachhaltigen Kulturbetriebe auf ihrer Website sammelt. Die Auswahl an Massnahmen kann als Wissensbasis, Vorbild oder Inspiration für Kulturschaffende dienen, denn wenn es um neue Wege geht, ist der Wissensaustausch zentral.

Im Bereich Förderung stellten Katrin Grögel und Seraina Rohrer den Stand der Diskussion zu Nachhaltigkeit in der Kultur vor. Die Arbeitsgruppe des Nationalen Kulturdialogs diskutiert Empfehlungen für Mindeststandards in der Kulturförderung der öffentlichen Hand auf allen Staatsebenen (Gemeinden und Städte, Kantone, Bund). Katrin Grögel fasste in der Schlussrunde die Diskussion im Workshop symbolisch mit einem Fersenpflaster zusammen. Sie seien noch nicht am Gipfel angelangt. Gerade was die Formulierung von Rahmenbedingungen und Zielen anbelange, gebe es noch Klärungsbedarf.

Donat Kaufmann (Music Declares Emergency) resümierte den Workshop zur Mobilität so, dass die Kommunikation zwischen Akteur:innen, Promoter und Management essentiell sei. Neue Einsichten und ein Verständnis der Zusammenhänge entwickle sich häufig erst, wenn die verschiedenen Akteur:innen miteinander sprechen. Es braucht nicht von vornherein Lösungen. Besser sei es, sich gemeinsam über das Problem auszutauschen und gemeinsam nach sinnvollen Lösungen zu suchen, die die verschiedenen Perspektiven berücksichtigen.

Insgesamt verdeutlichte die Workshop-Tagung die vielfältigen Ansätze und Herausforderungen im Streben nach ökologischer Nachhaltigkeit in der Kultur und betonte die Notwendigkeit eines umfassenden Denkens und Handelns, das über blosse CO2-Bilanzen hinausgeht.

Der Nachhaltigkeitsanspruch zwingt uns dazu, Routinen zu überdenken, gewohnte Abläufe kritisch zu hinterfragen, mehr Aufwand zu leisten und mehr Geld aufzuwenden, aber auch zu erkennen, dass mit geeigneten Massnahmen nicht nur CO2-Emissionen sondern auch finanzielle Einsparungen möglich werden. Und wie Donat Kaufmann am Vormittag aufmunternd erwähnte, können auch kleine Massnahmen zu grossen Veränderungen führen.

Im Schlusswort betonte Katrin Grögel, dass gerade für kleinere Betriebe und Kulturschaffende Hilfestellungen in Form von Guidelines und Wissensaustausch entscheidend sind, um freiwilliges Engagement zu unterstützen. Wir hoffen, dass die Workshop-Tagung ihren Teil dazu beigetragen hat.

Fotos: Samuel Bramley